Warum Gold wieder glänzt

Warum Gold wieder glänzt 27.05.2016

Die Notenbanken drucken Geld wie im Wahn, Zinsen gibt’s schon lange keine mehr, und sogar ein Bargeldverbot droht: Warum Gold mittlerweile sogar einen Zinsvorteil bringt und sich zur ultimativen Parallelwährung entwickeln könnte. Die Antworten liefern die folgenden Goldexperten im Fachgespräch zum Focus Money Gold Round Table in Deutschland: 
 

Robert VityeFocus Money Gold Roundtable Teilnehmer
Vorstandsvorsitzender, VSP AG

Mag. (FH) Rudolf Brenner
Managing Director and Partner, philoro EDELMETALLE

Franz Hölzl
Vorstand, Auvesta

Ronny Wagner
Geschäftsführer, Noble Metal Factory

Zhenwei Wang
Key Account Manager, Auvesta

Robert Hartmann
Geschäftsführer, pro aurum

Frage: Krisen, Kriege, Terror und Zins-Wahnsinn. Warum reißt Gold nicht längst ein Allzeithoch nach dem anderen?

Hartmann: Die starke Korrektur bei den Edelmetallen seit 2011 hat viele Anleger verunsichert. Da ist es normal, dass eine Bodenbildung länger dauert. Wer Gold aber nur als Krisenmetall betrachtet, versteht die Funktion nicht. Es ist eine ultimative Währung, wenn sich Menschen um die Stabilität des Finanzsystems sorgen.

Brenner: Gold hat eben immer noch einen Gegner: und zwar das Vertrauen der Menschen in die Notenbanken. Aber da hat sich schon etwas getan.

Hat die Stimmung tatsächlich schon gedreht?

Brenner: Letztes Jahr hat die Schweizer Zentralbank den Euro vom Franken entkoppelt.

Schweizer Aktien hatten stark korrigiert. Aber Franken-Hammer hin oder her, beim Gold hat sich erst mal wenig getan.

Brenner: Es war ein erster Riss. Zugegeben: 2015 war kein gutes Jahr für Gold, aber die Politik der Notenbanken nimmt ja immer extremere Formen an. Wo führen uns diese Experimente noch hin? In diesem Jahr ist Gold bereits angesprungen. Und das wird so weitergehen.

Herr Hartmann, Anfang des Jahres haben Sie gesagt, offenbar glauben die Leute noch an die Zentralbanken. Würden Sie das revidieren?

Hartmann: Das große Kapital glaubt weiter an die Allmacht der Notenbanken. Nach der Zinssenkung in Japan und der Bazooka der EZB ging der Dax zunächst in die Knie, und der Euro schoss nach oben. Das war sicherlich so nicht von den Zentralbankern gewollt. 

Reden wir konkret über die Europäische Zentralbank (EZB) und amerikanische Notenbank (Fed). Von Niedrigzinsen bis Helikopter-Geld – was verunsichert die Bürger am meisten?

Vitye: Die Fehler verstärken einander. Das stellt die Notenbanken und die Steuerbarkeit der Wirtschaft in Frage. Die Schulden türmen sich immer höher, und das System lässt sich nur noch künstlich am Leben halten. Aber die Wirkung verpufft. Auch Mario Draghi kann das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens von immer mehr Gelddrucken nicht aushebeln.

Warum macht er es dann?Focus Money Gold Roundtabe

Brenner: Die EZB-Direktoren haben ja keine unredlichen Motive. Sie müssen eben auf kurzfristige Ereignisse reagieren.

Vitye: Wir erwarten Helikopter-Geld. Es wird sich dann ein hübscher Euphemismus dafür finden – vielleicht „People’s QE“. Zentralbanken sind eben nur ein „One Trick Pony“, sie haben nur ein Kunststück drauf – Zinsen senken und damit Geld drucken. Die Phrasen passen einfach nicht mehr zur Realität. Das kapieren immer mehr Menschen auf der Straße.

Hölzl: Aber warum verpufft denn die Arbeit der Notenbanken? Ich mache die Regulierung der Banken dafür verantwortlich. Sie würden die niedrigen Zinsen ja gern weitergeben, aber sie dürfen das Geld an viele Gläubiger gar nicht verleihen. Und wer es haben dürfte, der braucht es nicht. Es kommt wegen der falschen Regulierung nicht an.

Und es droht der nächste Hammer. Das Bargeldverbot ist schon länger ein Thema. Bekommen die Leute Angst davor?

Hölzl: In einer Zeitung habe ich neulich den Aprilscherz gelesen, dass Bargeld verboten wird. Das zeigt, wie weit wir bei dem Thema schon sind. 

Vitye: Man wundert sich ja schon gar nicht mehr und muss erst mal überlegen, ob es überhaupt ein Scherz ist. Einschränkungen bei Barreserven und Geldscheinen sind eben längst Realität. Der Staat will immer mehr kontrollieren.

Und da soll ausgerechnet Gold aus der Bredouille helfen?

Wagner: Die Portfolio-Theorie von Markowitz hat versagt, das beste Beispiel ist die Finanzkrise. Es galt ja immer die These: Wer streut, rutscht nicht aus. Aber auf diesem Planeten finden sich kaum mehr Anlageklassen, die sich gegenläufig entwickeln. Es vermischt sich eher alles zu einem Einheitsbrei. Da müssen die Anleger praktisch zu Edelmetallen greifen.

"Es ist ein perverses Szenario, dass Gold mittlerweile einen Zinsvorteil hat."
Robert Vitye, Vorstandsvorsitzender VSP AG

 

Warum geht es dann nur so mühsam aufwärts mit Gold?

Wagner: Warum der Goldpreis noch nicht stärker anzieht, darüber lässt sich nur spekulieren. Aber der Bürger blickt bei Niedrigzinsen und Einlagensicherung nicht mehr durch. Klar ist nur eines: Das Vertrauen ins System geht verloren, und das ist der Grund, warum die Leute Gold kaufen.

Vitye: Es ist ja ein perverses Szenario. Gold bringt keine Zinsen, aber trotzdem mehr als klassische Zinsprodukte. Dass Gold quasi einen Zinsvorteil hat, war früher unvorstellbar und wird auch auf Dauer nicht bestehen können.

Was erzählen Sie jemandem, der vor fünf Jahren Gold gekauft hat?

Hartmann: Die letzten Jahre waren nicht berauschend, und auch vor 2000 hat sich Gold nicht aufgedrängt. Aber seitdem hat alles gegenüber Gold verloren – von Aktien bis Immobilien. Trotzdem reden alle immer nur über die Korrektur.

Vitye: Fiat-Geld wertet gegenüber Gold langfristig klar ab – egal, ob Euro, US-Dollar oder Yen. Gold gilt ja als Stein. Wenn man ihn lange genug aufbewahrt und poliert, dann wird er eben zum Spiegel, der die Schwäche der Währungen zeigt. Und dass jetzt Gold auch noch in US-Dollar angesprungen ist, das war der finale Ausbruch. Wir befinden uns also in einem Bullenmarkt für Gold.

Lässt sich das auch an den gekauften Mengen festmachen?Focus Money Gold Roundtable

Brenner: Wegen der Magerzinsen blieb die Nachfrage in den letzten Jahren sowieso auf hohem Niveau. Die Aufwärtsdynamik seit Jahresanfang hat natürlich auch das Medieninteresse beflügelt, und dann wollen mehr Leute dabei sein, wenn es steigt. Wobei echte Goldfans oft gerade dann einsteigen, wenn die Preise korrigieren.

Wagner: Außer in Edelmetalle und in ein paar Währungen will ich momentan in nichts anderes investieren. Man hat schon das Gefühl, dass die Spielregeln zu Gunsten der Mächtigen verschoben werden. Möglicherweise gibt es nur einen Ausweg aus der Misere: einen Neustart des Systems.

Das fordern ja bereits einige Experten. Aber mal Hand aufs Herz, wie soll das denn bitte so einfach gehen?

Vitye: Ein Blick in die Geschichte reicht, Großmutters Erzählungen könnten schnell wieder zur Realität werden.

Aber wie könnte das Endspiel diesmal konkret aussehen?

Brenner: Es kann lange dauern. In Japan geht es schon 20 Jahre. Ob eine Zäsur kommt? Die DDR hat auch nicht mehr funktioniert, aber sie bestand weiterhin. Das ist unkalkulierbar.

Vitye: Wenn zu viel Geld im Markt ist, knallt es irgendwann. Aber die Politik drückt sich um eine Lösung. Wer Schulden streicht, muss eben auch Guthaben streichen. Beispiel Griechenland: Da wurden eben mal die Banken rausgehauen. Aber IWF-Chefin Christine Lagarde hat bereits einen Neustart angedeutet. Unter dem Strich könnte es so aussehen: Gold bekommt wieder eine gewisse Rolle im Währungssystem. Es könnte ähnlich aussehen wie 1944 in Bretton Woods. Denkbar ist ein Gold-Devisen-Standard. Aber genau lässt sich das nicht prognostizieren.

Unklar ist ja auch die Lage in Großbritannien. Aus Angst vor dem Brexit kaufen auch immer mehr Briten Gold...

Hartmann: Das Geschäft in England hat sich belebt, aber von einem niedrigen Niveau aus. Deutschland ist ein viel größerer Markt. Was Gold viel mehr auf die Sprünge helfen könnte, ist der schwächere US-Dollar. Die Politiker haben sich wohl darauf geeinigt, dass er nicht weiter aufwertet und die Volatilität bei den Devisen sinken soll.

Die Kerninflation in den USA liegt schon wieder bei zwei Prozent. Die Rate könnte schnell auf drei Prozent steigen. Wie könnte sich das auswirken?

Wagner: Möglicherweise schauen wir auf die falschen Indikatoren und überschätzen die Zahlen. Aus meiner Sicht fehlt die finanzielle Bildung beim Mittelstand. Da schaut kaum jemand auf Zinsen und Wechselkurse. Den Leuten macht eher die finanzielle Repression Angst. Bargeldverbot & Co. – hier werden Dinge vorbereitet, die uns allen nicht gefallen.

"Gold ist das Einzige, was nie wertlos werden kann."
Rudolf Brenner, Geschäftsführer philoro EDELMETALLE

Will der klassische Goldkunde sich dagegen schützen?

Brenner: Die Kunden sind verunsichert und wissen nicht, wohin mit dem Geld. Der Aktienmarkt kommt nicht für jeden in Frage, Anleihen sind kaum attraktiv, und das Sparbuch können Sie ganz vergessen. Die Leute wollen Sachwerte. Und Gold ist das Einzige, was nie wertlos werden kann.

Aber wie transparent ist der Handel? Von Aktien kennen wir den Hochfrequenzhandel. Wie viel wird bei Gold manipuliert?

Hölzl: Unsere Kunden haben das gar nicht im Blick. Wir bieten Gold nicht zur Spekulation an. Natürlich gibt es Zocker, die Wellen auslösen. Es ging ja von 1900 Dollar steil bergab, dann reißen viele Stopps. Aber wenn die Zocker dann aus dem Markt sind, beruhigt sich die Lage auch wieder.

Hartmann: Wenn bei uns die Nachfrage steigt, dann erhöhen wir unseren Bestand an Goldbarren und Münzen. Damit daraus kein Kursrisiko entsteht, steigen unsere Short-Positionen zu Absicher-ungszwecken im Verhältnis 1 : 1 mit.

Vitye: Da gebe ich Ihnen Recht. Das ist ein Phänomen. Die Terminmärkte können aber grundsätzlich nicht den Goldpreis manipulieren. Denn es gilt ein Gesetz: Jedem Short-Kontrakt steht ein Long-Kontrakt gegenüber. Wie vernünftig diese Geschäfte sind, das ist wieder eine andere Frage.

Wie handelt denn Ihr typischer Kunde?

Hartmann: Viele Kunden schauen nicht so sehr auf den Preis, sondern wollen ihr Vermögen absichern. Aber manche spielen auch mit physischem Gold. Gerade bei Kursen über 1.100 Euro machen manche Investoren Kasse.

Hölzl: Es gibt einen Unterschied zwischen den Ländern. In Deutschland gilt Gold als Versicherung. In Osteuropa oder in China kaufen die Leute einfach, da spielt der Kurs kaum eine Rolle. Der Drang nach Gold ist viel größer. Teilweise sind die Märkte leergefegt.

Wagner: Preissensibel sind unsere Kunden nicht. Aber das mag daran liegen, dass wir auf Sparpläne setzen.

Sind Sparpläne das Geschäft der Stunde?

Vitye: So lässt sich diszipliniert und kosteneffizient Gold kaufen. Es lassen sich Losgrößen zu Preisen erwerben, die bei einem Direktinvestment nicht möglich wären. Natürlich bieten wir das unseren Kunden auch an.

Lässt sich Gold denn überhaupt sicher lagern?

Vitye: Sinnvolle Lagerung ist Kern unseres Geschäfts, juristische und geografische Aspekte sind sehr wichtig.

Hölzl: Wir setzen auf hohe Sicherheitsstandards und verteilen es geografisch auf London, Singapur, Frankfurt und Zürich. Es gibt auch eine exakte Eigentumsübertragung, und wir wissen, welcher Barren wem gehört. Die Kunden können ihr Depot online überall verwalten.

Ein Land wie Singapur müsste Anlegern doch nicht ganz geheuer sein?

Hölzl: Die Kunden können bei uns selbst entscheiden, wo sie ihr Gold lagern wollen. Und es gibt eben eine Nachfrage nach Lagerung in Fernost.

Aber ist das nicht teurer?

Hölzl: Im Vergleich zu Deutschland sind die Schweiz, London oder Singapur teurer.

Hartmann: Vor acht Jahren war es noch undenkbar, dass ein Anleger sein Gold bei einem privaten Unternehmen lagert. Aber es wird immer normaler. Wir betreiben die Lagerung schon seit geraumer Zeit. Wir haben je ein Edelmetalldepot in München und Wien. Und seit 2008 haben wir bereits ein Zollfreilager in Zürich.

Stichwort Zollfreilager – das müssen Sie uns erklären.

Hölzl: Der Kunde kauft günstiger ein, er spart sich bei Silber sozusagen die Mehrwertsteuer und ist dann am Ende mit 100 Prozent investiert statt mit 81. Nur wenn er physisch liefern lässt, das Silber also das Zollfreilager verlässt, muss er die Mehrwertsteuer zahlen.

Das gilt aber nicht für Gold.

Hölzl: Genau, da fällt keine Mehrwertsteuer von 19 Prozent an. In der Zollfreizone lässt sich nur lagern, was dem Zoll unterliegt.

In Zeiten von Panama Papers klingen Zollfreilager in manchen Ohren komisch. Wie sieht das rechtlich aus?

Hartmann: Da läuft alles transparent, auch für die Behörden. Wir wären ja wahnsinnig, wenn wir zwielichtige Geschäfte unterstützen würden. Es steht unsere Existenz auf dem Spiel.

Wie lässt sich Gold denn noch anonym erwerben?Focus Money Goldroundtable

Hartmann: Es gilt die Grenze von 15.000 Euro beim Bargeschäft. Wenn Sie für mehr kaufen wollen, müssen Sie sich legitimieren. Und wenn generell ein Verdacht aufkommt, lehnen wir das Geschäft auch ab. Das kommt jeden Tag vor.

Hölzl: Das Gesetz schreibt vor, jeden Kunden bei einer dauerhaften Beziehung zu identifizieren. Deswegen machen wir es grundsätzlich. Wir lassen uns nicht nur den Ausweis vorlegen, sondern prüfen auch seine Bankverbindung. Wenn etwas verdächtig erscheint und der Kunde keine Erklärung liefert, kooperieren wir auch mit den Behörden.

Wie viel Gold sollte man denn im Depot haben?

Hartmann: Wir beziehen uns aufs Gesamtvermögen und empfehlen zehn bis 15 Prozent.

Vitye: Die Anleihe fällt ja als Anlageklasse praktisch aus. Da erscheinen 30 oder 40 Prozent in Edelmetallen nicht mehr so hoch.

Wagner: Also bis zu 50 Prozent des liquiden Vermögens lassen sich durchaus in Edelmetalle investieren.

Aber gibt es nicht eine natürliche Sättigungsrate beim Gold?

Vitye: Haben die Menschen nicht eher Zahlungsversprechen satt, die dann doch nicht gelten? In der Geschichte hat gerade Gold zur Stabilität beigetragen. Die Kunden wollen Gold im Depot haben, um ruhiger schlafen zu können.

"Ohne Bargeld wäre Gold die ultimative Parallelwährung." 
Rudolf Brenner, Geschäftsführer philoro EDELMETALLE

Wie schätzen Sie Silber ein? Das hat sich in diesem Jahr ja ebenfalls erholt.

Vitye: Es ist das Gold des kleinen Mannes und kann als Industriemetall kaum verboten werden. Die Vorräte sind weltweit sehr beschränkt. Gerade wegen der hohen Vola bietet sich ein Sparplan für Anleger an.

Zum Schluss ein Gedankenexperiment …angenommen, es gäbe kein Bargeld mehr. Was würde dann aus Gold werden?

Brenner: Es wäre die ultimative Parallelwährung.

Wagner: Ich sehe aber auch eine Gefahr für Gold. Denn die Begehrlichkeiten des Staates würden zunehmen.

Brenner: Dann müsste der Staat Bankschließfächer räumen.

Vitye: Und die Behörden müssten Häuser nach Gold durchsuchen. Ich halte es für ausgeschlossen, dass wir uns dauerhaft in einem solchen Staat aufhalten würden. Ich sehe das positiver: Gold würde als Tauschmedium gelten. Ein Goldverbot lässt sich zwar nicht völlig ausschließen, aber das würde niemanden daran hindern, es als Tauschmittel zu benutzen. Vielmehr erscheint eine Besteuerung realistisch.

Hölzl: Aber Gold hätte aus meiner Sicht eine ganz andere Funktion in einer Krise: Es lässt sich das Vermögen retten, und nach der Krise kann ich das Gold wieder umtauschen.

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