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Gold und Inflation: Ein ewiger Schutzschild?

Inflation – für viele Anleger ist sie das Schreckgespenst schlechthin. Sie frisst stille Reserven auf, entwertet Sparguthaben und kann selbst solide Anleihen ins Wanken bringen. Doch seit Jahrhunderten gilt ein Element als möglicher Schutz in stürmischen Zeiten: Gold. Aber wie verlässlich ist dieses Edelmetall wirklich, wenn die Preise steigen? Ein Blick in die Geschichte gibt Aufschluss – und zeigt, warum Gold auch heute wieder hoch im Kurs steht.

16. Juli 2025
Goldstories

Die 1970er: Gold glänzt im Inflationsfeuer

Ein Paradebeispiel für die Rolle von Gold in einer Hochinflationsphase sind die 1970er Jahre – ein turbulentes Jahrzehnt, das von tiefgreifenden wirtschaftlichen, politischen und geldsystematischen Umbrüchen geprägt war. Auslöser war unter anderem der schrittweise Zerfall des internationalen Währungssystems von Bretton Woods, das nach dem Zweiten Weltkrieg die Wechselkurse stabilisieren und die Weltwirtschaft stürzen sollte.

1971 hob US-Präsident Richard Nixon im Rahmen des sogenannten „Nixon-Schocks“ die direkte Konvertibilität des US-Dollars in Gold auf. Dieser Schritt markierte faktisch das Ende des Goldstandards und leitete das Zeitalter frei schwankender Fiat-Währungen ein. Der Goldpreis, der zuvor jahrzehntelang auf 35 US-Dollar pro Unze fixiert war, wurde damit dem freien Markt überlassen – und entwickelte sich fortan deutlich dynamischer.

In den Folgejahren kam es zu einer signifikanten Entwertung des US-Dollars, angetrieben durch mehrere Ölpreisschocks (1973 und 1979), eine expansive Fiskalpolitik und eine lockere Geldpolitik, mit der die US-Notenbank zunächst zögerlich auf die steigende Inflation reagierte. Die Kombination aus Angebotsverknappung, stagnierendem Wachstum und galoppierender Teuerung führte zur sogenannten Stagflation – einem bis dahin kaum gekannten wirtschaftlichen Phänomen.

Der Goldpreis spiegelte diese Unsicherheiten wider: Zwischen 1971 und 1980 stieg er von rund 35 auf über 850 US-Dollar pro Unze – ein Anstieg von mehr als 2.300 Prozent. Allein im Jahr 1980, auf dem Höhepunkt der Krise, schoss der Preis innerhalb weniger Wochen um mehr als 100 Prozent nach oben. Im selben Zeitraum kletterte die US-Inflationsrate auf über 13 Prozent, begleitet von Negativwachstum und hohen Arbeitslosenzahlen.

In dieser Phase erwies sich Gold nicht nur als Inflationsschutz, sondern auch als systematisches Sicherheitsventil. Es diente Investoren als Wertspeicher, der unabhängig von Währungen, Notenbanken oder Staatsversprechen Bestand hatte – und wurde so zum Symbol des Misstrauens in die geldpolitische Steuerungsfähigkeit der Zentralbanken.

Nicht immer linear: Gold und Inflation sind keine Eins-zu-eins-Beziehung

Trotz seiner glänzenden Rolle während der Inflationsjahre der 1970er ist Gold keineswegs ein garantierter Inflationsschutz in jeder Phase. Historische Daten zeigen, dass der Zusammenhang zwischen Inflation und Goldpreis wesentlich komplexer ist als oft angenommen – und insbesondere stark vom geldpolitischen Kontext abhängt.

Ein prägnantes Beispiel dafür sind die 1980er und 1990er Jahre: Zwar erlebten viele Volkswirtschaften in dieser Zeit Phasen moderater Inflation, dennoch entwickelte sich der Goldpreis über weite Strecken seitwärts oder sogar rückläufig. Der Hauptgrund dafür lag in der geldpolitischen Wende, die in den frühen 1980ern unter dem damaligen US-Notenbankchef Paul Volcker eingeleitet wurde. Volcker bekämpfte die ausufernde Inflation mit drastisch steigenden Leitzinsen. Die sogenannten „realen Zinsen“ – also die Zinssätze nach Abzug der Inflationsrate – stiegen deutlich an und machten festverzinsliche Anlagen wieder attraktiver als inflationsresistente Sachwerte wie Gold.

Zudem gewann die Federal Reserve in dieser Phase erheblich an Glaubwürdigkeit zurück. Die Märkte fassten Vertrauen in die Fähigkeit der Zentralbank, Preisstabilität durchzusetzen. In einem solchen Umfeld sinkt der Absicherungsbedarf gegen Währungsabwertung oder geldpolitisches Versagen – und damit auch die Investmentnachfrage nach Gold.

Gold schützt also nicht automatisch vor Inflation an sich, sondern vielmehr vor einem Verlust des Vertrauens in die Stabilität des Papiergeldsystems. Es fungiert als Wertaufbewahrungsmittel vor allem dann, wenn die institutionelle Glaubwürdigkeit wankt – etwa bei strukturellen Haushaltsdefiziten, lockerer Geldpolitik ohne Exit-Strategie oder politischen Eingriffen in Notenbankentscheidungen. Werden diese Risiken hingegen als kontrollierbar eingeschätzt, verliert Gold häufig an Reiz.

Langfristig bleibt Gold eine Versicherung gegen monetäre und systemische Risiken – aber eben keine, deren Wert sich immer im Gleichklang mit der offiziellen Inflationsrate entwickelt. Wer Gold rein als Inflationshedge betrachtet, greift oft zu kurz. Gold ist vielmehr ein Indikator für Vertrauen – oder das Fehlen desselben.

Gestapelte Goldbarren.
Aufgetürmte Euromünzen, die im Begriff sind, umzustürzen.

Die 2000er und die Finanzkrise: Gold erlebt eine Renaissance

Nach einer langen Phase der Stagnation in den 1980er- und 1990er-Jahren begann zu Beginn des neuen Jahrtausends eine bemerkenswerte Renaissance des Goldes. Von etwa 270 US-Dollar pro Unze im Jahr 2001 stieg der Goldpreis bis zum Jahr 2011 auf über 1.900 US-Dollar – ein Plus von mehr als 600 Prozent innerhalb eines Jahrzehnts. Diese Entwicklung war umso bemerkenswerter, als sie nicht in einem Umfeld klassisch hoher Inflation stattfand, sondern vielmehr in einem Klima geldpolitischer und systemischer Verunsicherung.

Der erste Treiber dieser Aufwärtsbewegung war die massive geldpolitische Lockerung der Notenbanken nach dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Insbesondere die US-Notenbank senkte die Leitzinsen deutlich, um eine Rezession zu verhindern – eine Strategie, die ab 2001 eine Phase extrem niedriger Zinsen einläutete. Mit der Einführung unkonventioneller Maßnahmen nach der Finanzkrise 2008 – wie der quantitativen Lockerung (Quantitative Easing) – wurde dieser Kurs noch weiter verschärft.

Hinzu kam eine zunehmende Skepsis gegenüber dem traditionellen Bank- und Finanzsystem. Die Pleite von Lehman Brothers im September 2008 stellte einen historischen Schock dar und erschütterte das Vertrauen in das globale Finanzsystem nachhaltig. Anleger begannen, die Stabilität von Banken, Staaten und Währungen grundlegend zu hinterfragen. In diesem Kontext gewann Gold seine klassische Rolle als „sicherer Hafen“ zurück – nicht als bloßer Inflationsschutz, sondern als Gegenpol zu systemischen Risiken.

Bemerkenswert ist dabei, dass die offiziellen Inflationsraten während dieser Dekade überwiegend moderat bleiben. Dennoch erlebte Gold einen der stärksten Bullenmärkte seiner Geschichte. Dies unterstreicht einmal mehr: Der wahre Treiber für den Goldpreis ist nicht allein die Teuerung selbst, sondern das Vertrauen in das geldpolitische System. Wenn Anleger befürchten, dass Währungen entwertet werden, Staatsverschuldungen ausufern oder Notenbanken politische Unabhängigkeit verlieren, steigt die Attraktivität von Gold als nicht manipulierbares und begrenzt verfügbares Asset.

Auch institutionelle Investoren begannen in dieser Zeit, ihre Goldallokationen zu überdenken. Zentralbanken, insbesondere in Schwellenländern wie China und Russland, bauten ihre Goldreserven aus – ein weiteres Zeichen für das wachsende Bedürfnis nach unabhängigen Wertspeichern außerhalb des Dollar-dominierten Systems.

Die Gold-Rally der 2000er Jahre ist somit ein Paradebeispiel dafür, dass Gold nicht nur in klassischen Inflationsphasen, sondern vor allem in Zeiten monetären Vertrauensverlusts seine Stärke entfaltet. Anleger suchten keinen Inflationsschutz im engen Sinne, sondern eine Absicherung gegen finanzielle Repression, Krisenpolitik und systemische Risiken.

Heute: Neue Unsicherheiten, alter Schutzmechanismus?

In den Jahren 2021 bis 2023 erlebten viele Industrieländer einen sprunghaften Anstieg der Inflationsraten – ausgelöst durch ein Zusammenspiel mehrerer tiefgreifender Faktoren. Die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie, massive fiskalische Stimulusprogramme, globale Lieferkettenprobleme und später der russische Angriff auf die Ukraine wirkten zusammen wie ein Brandbeschleuniger für die Preise. In Deutschland überschritt die Inflationsrate im Herbst 2022 zeitweise die Marke von 10 Prozent – ein Niveau, das zuletzt in den 1950er-Jahren erreicht worden war.

Trotz dieser realwirtschaftlichen Belastungen reagierte der Goldpreis zunächst überraschend verhalten. In der Hochphase der Inflation stagnierte er weitgehend – was unter anderem daran lag, dass die US-Notenbank (Fed) und andere Zentralbanken mit aggressiven Zinserhöhungen reagierten. Steigende Realzinsen sind historisch betrachtet ein Gegenwind für Gold, da das zinslose Edelmetall dadurch an relativer Attraktivität verliert. Auch die Stärke des US-Dollars wirkte in dieser Phase preisdämpfend.

Doch seit Ende 2023 setzte eine klare Trendwende ein: Gold durchbrach Anfang 2024 mehrere psychologisch wichtige Widerstandsmarken und erreichte im Frühjahr 2025 neue Allzeithochs von über 3.500 US-Dollar pro Unze. Dieser Anstieg vollzog sich nicht trotz, sondern wegen der strukturellen Unsicherheiten im globalen Währungs- und Finanzsystem.

Ein wesentlicher Faktor ist die wachsende Nachfrage der Zentralbanken. Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und den westlichen Sanktionen gegen russische Währungsreserven ist vielen Staaten bewusst geworden, wie verletzlich Fiatreserven im internationalen Zahlungssystem sein können. Vor allem Schwellenländer – etwa China, Indien, die Türkei oder Kasachstan – haben ihre Goldreserven deutlich aufgestockt, um ihre finanzielle Souveränität gegenüber dem US-Dollar zu stärken. Laut World Gold Council war 2023 das zweitstärkste Jahr für staatliche Goldkäufe seit Beginn der Aufzeichnungen.

Hinzu kommt die zunehmende Sorge vor einer sogenannten Inflationspersistenz: Die Phase der Preissteigerungen könnte sich länger hinziehen als ursprünglich angenommen – nicht zuletzt wegen demografischer Veränderungen, anhaltender geopolitischer Spannungen, Handelskonflikte und einer wachsenden fiskalischen Dominanz in vielen westlichen Volkswirtschaften. In einem solchen Umfeld – geprägt von Vertrauensverlust in die Steuerungsfähigkeit der Zentralbanken – gewinnt Gold erneut an Bedeutung als langfristige Absicherung.

Gleichzeitig bleibt der Markt volatil. Zinsspekulationen, geopolitische Entwicklungen und technische Korrekturen können immer wieder zu kurzfristigen Rücksetzern führen. Doch gerade diese Bewegungen sind es, die Gold von einem spekulativen Asset unterscheiden: Es ist weniger ein Instrument zur kurzfristigen Renditejagt, sondern ein strategischer Baustein im Portfolio – ein realer Wert in einer zunehmend polarisierten Weltwirtschaft.

Fazit: Gold schützt – aber nicht automatisch

Gold hat sich über Jahrzehnte als wertstabile Anlage in Phasen wirtschaftlicher Unsicherheit und monetärer Instabilität bewährt. Sein ewiger Schutzschild greift jedoch nicht automatisch mit jeder Inflationszahl. Vielmehr entfaltet Gold seine Stärke dann, wenn das Vertrauen in die geldpolitische Steuerungsfähigkeit schwindet – etwa in Zeiten überhitzter Verschuldung, politischer Polarisierung oder struktureller Inflationsgefahren.

Als „tickgenauer“ Inflationsausgleich im Monatstakt eignet sich das Edelmetall kaum. Doch wer Gold strategisch – also als Versicherung gegen systemische Risiken – betrachtet, nutzt sein eigentliches Potenzial. Es geht nicht um Timing, sondern um Absicherung.

Der legendäre Hedgefondsmanager Ray Dalio brachte es auf den Punkt: In einer Welt, in der Währungen durch politische Entscheidungen entwertet werden können und Schuldenberge wachsen, sollte ein gewisser Anteil Gold in keinem robusten Portfolio fehlen. Nicht aus Panik – sondern aus Weitsicht. Gold ist kein Allheilmittel. Aber es ist ein stiller Anker in unruhigen Zeiten. Mehr über die Geschichte des Goldes erfahren Sie in unserer Infothek.

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